Mittwoch, 8. April 2015

Prozessionen in der Karwoche

Diese Woche in Cusco  werde  ich  sicher nicht vergessen. Sie war angefuellt mit Erlebnissen des kirchlichen Lebens, wie  ich sie in dieser Dichte noch nicht erlebt habe.
Mittwoch (1. April): Es ist mein erster Tag in Cusco. Muede und langsam erklimme ich eine kleine Anhoehe am Rande der Stadt. Dort gibt es eine kleine Kirche, die ich mir ansehen moechte. Doch was ist das. Ploetzlich ist die Strasse ueberfuellt mit Schuelern, die dort in ihren gruenen Schuluniformen stehen. Warum blockieren die Schueler die Strasse Müssen sie nicht in der Schule sitzen und lernen?  Ich komme naeher. Da entdecke ich, dass die Schueler in einer Art Umzug unterwegs sind. Einige Jungen tragen etwas Schweres. Als ich genau hinsehe erkenne ich, dass sie ein recht grosses Holzkreuz schleppen. Der Zug haelt an einem Bild. Dort liest ein Lehrer etwas vor. Ich begreife, was hier geschieht. Die Schueler befinden sich auf einem Kreuzweg. Der Lehrer liest also zu einer Station des Kreuzweges eine Text. Der Zug bewegt sich weiter, bis wieder an dieser Station eine Gruppe von ungefaehr zwanzig Schuelern haelt und ein weiterer Lehrer vorliest. Ein Teil der Schueler ist andaechtig bei der Sache. Die letzte Gruppe ist verkleidet. Alle wichtigen Personen des Passionsgeschehens sind zu sehen. Jesus wirft sich ein paarmal hin. Er versucht das Leiden des Weges darzustellen. Manche Spieler nemen den Weg ernst, andere lachen.
Ich komme mit einer Lehrerin ins Gespraech. sie erzaelt mir, dass hier eine katholische Jungenschule unterwegs ist. Der Kreusweg gehoert zum Schuljahr. Jedes Jahr sind also die Jungen unterwegs, hoeren die Kreuzstationen und tragen die Kreuze hinauf auf den Berg des Kreuzes.
Gruendonnerstag  (2. April): Heute bin ich das erste Mal in der Kathetrale zum Gottesdienst. Die Altaere sind dunkel. Manche Altartüren sind verschlossen. Nach dem Gottesdienst beginnt eine Prozession in die Seitenkirche. Dort, so scheint es mir, leuchten tausende weisse Blumen. Inmitten der Blumen thront ein silberner Sarg. Danach treibt es mich durch die dunklen Strassen in eine andere Kirche. Ich gelange zum Templo de Franzscus. In dieser Kirche verhaengte man die  Figuren mit riesigen lila Tuechern. Im Altarraum strahlen wieder tausende Blumen, diesmal in grossen weissen Vasen. Wieder beginnt eine Prozession, ein Leidensweg. Hunderte, ja tausende Menschen, ziehen durch einen Kreuzgang und einige kirchliche Räume. Der Zug zieht vorbei an Christusfiguren. Es wird der leidende Jesus gezeigt, in allen Phasen des Leidens. Spaeter auch der Leichnahm und die leidende Mutter. Das Leid ist ganz nah. Es ist schrecklich nah. Manchen Menschen sieht man an, wie sie mitleiden. Wenige weinen.
Karfreitag (3.April): Abends erreiche ich das alte Zentrum. Eine riesige Prozession ist unterwegs. An der Spitze des Zuges werden Fahnen getragen, gefolgt von einer Blaskapelle, dann eine Gruppe von Priestern mit ihren Ministranten, es folgt ein glaeserne Sarg, indem der Leichnam von Jesus liegt. Zuerst erschrecke ich. Das Leiden triff mich. Aus vielen Fenstern werden rote Blühtenblaetter geworfen. Womoeglich soll dies das Blut darstellen, als ein Ausdruck der Passion. Als letzte Figur wird eine riesige Maria, thronend und leidend, getragen. Die Traeger brechen fast unter dieser Last zusammen. Der Abschluss des Prozessionszuges stellt eine zweite Blaskapelle dar. Immer und immer wieder ertoent laute Blasmusik. Nur wenige Stuecke erscheinen mir angemessen. Viele Stuecke erinnern an die Blasmusik sonntags um 1 Uhr im Radio.
Ostersonnabend (4.April): Der Gottesdienst soll um 19 Uhr beginnen. Ich sicher mir, wie viele andere, schon gegen 18.30 Uhr einen Platz. Dies wird zu einem Problem, weil kurze Zeit spaeter alle nun in der Kirche sitzenden,  vor die Kirche gebeten werden. Nur ein Teil der Angesprochenen gibt ihren Platz wieder auf. Vor der Kirche bildet sich ein grosser Kreis. Nun wartet diese Menge auf die Priester samt ihren Ministranten. Nach einigen Liedern wird das Osterfeuer entfacht. Eine Osterkerze erleuchtet. Dann wandert das Licht von Kerze zu Kerze. Der Zug zieht nun in die Kirche. Eine wunderschoene Lichterkirche strahlt aus tausend Kerzen. Die Menge versucht zu schieben, um einen Sitzplatz zu erhaschen. Die Priester und Ministranten versuchen zu bremsen. Dazu fallen ihnen immer wieder neue Lieder ein. Doch der Druck der Menge wird immer groesser. Am Ende beginnen manche Leute zu rennen. Der Gottesdienst entfaltet eine ungeahnte Laenge: Ich schaetze, dass es zehn Lesungen gewesen sein muessen, irgendwann wird feierlich die Tür zu Christus geoeffnet, das Abendmahl ist immer dabei, dann die Anbetung der Heiligen und zuguterletzt durfte eine Taufe auch nicht fehlen. Ich sitze und sitze. Meine Knochen tun mir weh. Dabei werde ich immer mueder.
Ostersonntag (5.April): Heute unternehme ich einen Osterspaziergang. Ganz alleine. Ich nehme mir Goethes Gedicht zum Vorbild, ziehe hinaus aus der Stadt. Irgendwann werden es weniger Häuser. Dann geht es ueber Felder. Der Pfad wird steiler, felsiger. Ich komme ins Schwitzen. Oben auf de Berg stehen einzelne Kreuze mit roten Blumen. Einige Zeit bin ich andaechtig. Ich sehe auf die Stadt hinab. Dort gibt es sicher gerade eine Ostersonntagsprozession. In der Nähe haben Kinder gespielt. Sie haben viele einfache Huetten aus Steinen gebaut, so wie hier viele Menschen leben. Langsam steige ich wieder hinab in die Stadt,   ich ziehe vorbei an kleinen Blumen, Gespraechen mit ein paar Leuten vor ihren Huetten und den einzelnen Kreuzen mit den roten Blumen. Es ist Ostern.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen