Freitag, 29. Juli 2016

Über Semillas

Semillas ist das spanische Wort für Samen. Semillas ist eine kleine Organisation, die sich um Kinder in Portales - das ist ein armes Vorstadtviertel (Armutsviertel) in Arequipa - kümmert. Die Kinder treffen sich nachmittags im "comedor" (Speisesaal), wo sie auf vielfältige Weise betreut werden.
Die Lebensbedingungen für die Kinder in Portales sind meist hart. Meist leben sie in kleinen steinernen Hütten. Auf engstem Raum wohnen sie zusammen mit ihrer Familie, oft mit vielen Geschwistern. Viele Väter arbeiten weitweg in Minen, sind deshalb nur selten zu Hause. Andere Väter leben in Arbeitslosigkeit,  was zu Depressionen wie auch Alkoholismus führen kann. Die Mütter müssen oftmals allein versuchen, die Familien durchzubringen. Manchmal helfen die Kinder, verkaufen kleine Dinge auf der Straße.
Portales liegt am Hang, wie so viele Armenviertel. Es ist sehr trocken, gibt fast keine Pflanzen. Die Straßen sind wie Feldwege. Sie bestehen aus einer ca. fünf Centimeter hohen Staubschicht. In der Mitte des Viertels gibt es einen Sport- und Spielplatz. Doch die meisten Spieler sind kaputt und überall liegen Glasscherben herum. Dort ist es also nicht ungefährlich.
In Semillas arbeiten wir gegenwärtig zu dritt. Gloria stellt mit den älteren Kindern Karten her. Diese Karten werden später z.B. auch in Deutschland verkauft. Das Geld bekommen dann die Kinder, bzw. Familien. Karin ist hauptverantwortlich für die Hausaufgabenbetreuung. Ich kümmere mich um die kleineren Kindern, mit denen ich unter anderem eine Malwerkstatt mache. Außerdem biete ich einen Englischkurs an. Am Sonnabend findet je ein Spiel- bzw. Bastelnachmittag statt.
Im letzten Jahr arbeitete ich vier Monate als Volontär bei Semillas. Diesmal werde ich voraussichtlich zwei Monate bleiben.

Donnerstag, 28. Juli 2016

Die Malwerkstatt






Die Kinder kommen winkend

Seit zehn Tagen arbeite ich wieder in dem Armutsviertel von Arequipa (Peru), wo ich schon im letzten Jahr vier Monate als Freiwilliger tätig war.
Sehr aufgeregt war ich, wie es wohl wäre, zurückzukehren.  Wie würden die Kinder, wie würden die Erwachsenen, reagieren? Langsam näherte ich mich. Auf dem staubigen Weg ging es hinab, dorthin, wo wir uns immer getroffen haben.
Bald kamen mir einige Kinder winkend und rufend entgegen. Sie freuten sich und zogen mich in den comedor (Speiseraum), dorthin, wo wir immer gearbeitet hatten. Schnell füllte sich der Raum.
Gegenwärtig biete ich verschiedene Projekte an. Am frühen Nachmittag kümmere ich mich um die kleineren Kinder. Da gibt es bisher oft eine "Malwerkstatt". Ab 17 Uhr gebe ich einen Englischkurs für die "mitteleren" Kinder.
Auch bin ich dabei, weitere Projekte zu entwickeln. Falls ihr Ideen für mich habt, könnt ihr sie mir gerne zuschicken. Hier fühle ich mich sehr wohl. Ich schicke euch im nächsten Eintag ein paar Fotos von der ersten "Malwerkstatt". Euer Stephan

Dienstag, 26. Juli 2016

Das Examen - el examen

Letztens - seit einer Woche arbeite ich wieder bei den Kindern im Armutsviertel - kam Gloria ganz spaet und entschuldigte sich. Sie haette ein examen machen muessen. Kaum hatte sich Gloria entschuldigt, war sie auch schon verschwunden.
Fuer mich war  alles klar. Gloria (eine Mitarbeiterin bei Semillas) ging es nicht gut. Sie hatte ein "examen" (eine Untersuchung) machen muessen. Sicher ging es ihr so schlecht, dass sie sich gleich hinlegen musste. Ich verstand die Situation und konzentrierte mich wieder auf meine Kindergruppe.
Als ich zu Hause angekommen war, schrieb ich ihr gleich eine Nachricht. Ich wuenschte ihr gute Besserung. Sie solle sich ein paar Tage ausruhen, und ich freue mich natuerlich, wenn sie bald wieder kommt.
Am naechsten Tag erschien sie lachend bei ihrer Kindergruppe. Ihr ginge es gut, es waere ihr auch nicht schlecht gegangen. Sie haette nur ein schriftliches "examen" geschrieben. Nun, solche Verwechslungen geschehen mir staendig...

Die Hühner von Tacna






Samstag, 23. Juli 2016

Die Rippen

Kuerzlich gab es eine Maennerrunde. Wir tranken Bier. Immer wieder ging ein Glas herum. Staendig wurde "salut" gerufen. Ein Mann frgte mich wie es mit den Rippen geht.
So erzaehlte ich: "Es geht nicht so gut. Sie tuen mir weh. Besonders in der Nacht habe ich Beschwerden mit ihnen. Es gibt gerade Probleme mit den Rippen. Ich salbe sie ein, hoffe, dass es besser wird."
Die Augen des Mannes wurden immer groesser. Er stutzte. Nahm sein Bierglas und rief wieder "salut" und fing laut an zu lachen. Auch der andere Bierfreund stieg in das Gelaechter ein.
Spaeter stellte sich heraus, dass Rippen Freundinnen sin. Viele Peruaner haben ihre "Rippe". Und natuerlich fragt man beim Bier nach der Rippe. Nun fiel es mir ein, die Geschichte mit der Rippe. Als aus dem Manne eine Rippe genommen wurde und aus der Rippe die Frau geschaffen wurde. Langsam verstand ich, was es mit der Rippe auf sich hatte.

Donnerstag, 21. Juli 2016

Die Atacamawüste

Sie ist mehrere Tage lang
Ich sitze im Bus,
als wäre ich im Nichts unterwegs,
in einer unendlichen Leere.
Eine Fahrt auf dem Mars
könnte sich in nichts unterscheiden,
ausser in den Kältegraden.

Die erste Nacht - wie auch der erste Tag -
eilt der Bus durch die kiesige Unendlichkeit,
gleich einer flitzenden Ameise in einer Sandgrube.
Nach Antofagasta ändert sich die
scheinbar tote Welt, der Kies wird zu Sand.
Doch die Unendlichkeit bleibt.

Selbst die Grenze im hohen Norden
begrenzt diese todscheinende Weite nicht.
Alles ist grau, braungrau,
manchmal auch gelbgrau.
Nur ganz selten, fast nie,
wird die Leere gebrochen.
Dann erscheint ein Grünes,
und Häuser wie Städte
drängen sich dazu.

Die Fischer der alten Tante






Dienstag, 19. Juli 2016

Das Lied der alten Tante

Impressionen zu Antofagasta






Antofagasta

Wieder bin ich unterwegs in den Norden.
Wieder führt mein Weg durch unendlich
rauhe und karge Landschaften.

Auf halber Strecke erreiche ich die Stadt Antofagasta.
Auf halber Strecke habe ich Zeit für den Fischerhafen,
abgelegene Stadtviertel wie auch den mercado.

Ich treibe mit den Minibussen in Kurven umher.
Ich treibe durch abenteuerliche Viertel, treibe zum Kranich am alten Hafen.

Wie alt es hier ist, Fischkutter erzählen ihre Geschichten.
Wie alt es hier ist, verschachtelte Häuser berichten von ihren Bewohnern.

Diese arme Tante scheint inmitten karger Berge zu schlafen.
Diese arme Tante singt manchem Wanderer ihr melancholisches Lied.

Mittwoch, 13. Juli 2016

Das Töpferdorf


Die Brille

In den letzten Tagen war es wieder soweit. Die Schrift in meinem Buch formte sich nicht mehr zu Worten, geschweige denn zu Buchstaben und Sätzen.
Zum Glück kaufte ich mir vor der Reise eine dieser Billigbrillen, die es in so manchen Drogerien gibt. Denn schon in Salzwedel kam es immer wieder vor, dass ich kleingeschriebene Schrift nicht mehr gut lesen konnte, auch sah ich meine Umgebung manchmal doppelt.
Gestern probierte ich nun erstmalig die Billigbrille. Und ein Wunder geschah. Ich konnte wieder sehen, mußte mir den Krimi nicht selbst ausdenken, sonder lese ihn nun mit meiner neuen Brille.



Montag, 11. Juli 2016

cementerio de Santiago





centro de medico

Die Rippen schmerzen, der Bauch schreit, und auch die Arme treiben ihre Schmerzen. So Mache ich mich an einem Abend auf zum "centro de medico".
Ueber eine Hintertuer gelange ich ins Gebaeude. Mich erwarten unzaehlige Menschen, junge, mittlere, alte und auch viele Kinder. An einem Geraet muss ich eine Nummer ziehen. Es ist die 72. So warte ich lange, bis ich an der Reihe bin. An der nur manchmal besetzten Aufnahme werde ich zu meinen Symptomen befragt. Wahrscheinlich werde ich auf diese Weise gleich einem bestimmten Arzt zugeordnet. Nach dem Aufnahmeritual schleppe ich mich zu den Wartenden, die einen sitzen, die anderen stehen. Zum Glueck bekomme ich einen Platz. Spaeter, der Po tut mir weh, frage ich nach der Zeit. Es ist bereits 18.53 Uhr.
Ich sitze und sitze, veraendere immer wieder meine Haltung, was garnicht so leicht ist, um nicht wie ein merkwuerdiger Typ zu wirken. Die Leute beginnen sich lautstark zu unterhalten. Ein Kind schreit, ein anderes rennt, langsam wird es lauter: ein Rennen und ein Schreien der Kleinsten.
Jetzt ist es 19.15 Uhr. Der Zeit vergeht. Der Raum bewegt sich. Es schreit, es rennt. Daneben schmerzen die Knochen. Drehe unauffaellig meinen Oberkoerper, die Arme, Haende. Der Po laesst sich leider nur etwas heben und senken. Daneben springen und huepfen die, die es noch koennen. Einige Kinder versuchen sich auf diese Weise angeblich zu heilen.
Gegen 19.40 Uhr werde ich in einen Raum gerufen. Dort werde ich befragt, auch wird der Puls gemessen. Ich hoffe, dass nun der Arzt erscheint. Doch dies war nur eine Voruntersuchung. Werde zurueckgeschickt zwischen die  laute und springende Masse. Wieder warte ich. Wieder hoffe ich. Spaeter ergreife ich die Flucht und kehre heim.
Am naechsten Morgen stehe ich wieder im "centro de medico". Diesmal trete ich durch die Haupttuer ein. Doch spaeter finde ich mich im gleichen Raum wie am Tag zuvor wieder ein. Es vergeht die Zeit. Zum Glueck sind die Wartenden noch muede. So wird nicht gerannt und geschrieen. Die Kinder lehnen an ihren Muettern. Irgendwann werde ich gerufen. Ich gelange zu einer Aerztin. Nun beginnt die Untersuchung.