Donnerstag, 30. Juni 2016

Cerro Chena

Kürzlich - am 21. Juni - machen ich mich auf den Weg zum Cerro Chena. Gegen Mittag steige ich in einen dieser dunkelblauen Busse, der mich an den Rand Santiagos bringen wird. In einer grauen Fabriklandschaft verlasse ich das schwankende Beförderungsmittel.
Ich denke zurück. Schon einmal hatte ich versucht den Cerro Chena zu erklimmen. Doch war ich damals zu spät aufgebrochen, auch stieg ich an ungünstiger Stelle aus und musste somit ein Armeegelände weiträumig umwandeln, was mir außerdem die Lust  nahm.
Nun stehe ich zwischen Fabriken an einer Kreuzung. Zum Glück entdecke ich einen kleinen Kiosk, wo ich recht billig einen Kaffee und ein Eibrötchen bekomme. Nachdem ich mich gestärkt habe, setze meine Füße mit Neugier in Richtung Cerro Chena. Ich laufe schnell. An dieser Straße durch die grauen Fabriken ist die Luft besonders schlecht, auch beeinträchtigt der Verkehr der qualmenden Lastkraftwagen mein Wohlbefinden.
Wieder schweifen meine Gedanken ab. Ich denke daran, wie ich einst auf der "halben Höhe" des Cerro Chenas um mich sah. Zurück konnte ich die riesige Stadt Santiago sehen, die Metropole, das Ungetüm. Ich sah auch die riesige Dunstwolke der Abgase. Doch auf der anderen Seite tauchte eine ganz andere Welt vor mir auf, eine Welt mit kleinen Feldern und Dörfern,  eine Welt nach der ich mich so sehnte.
Als sich plötzlich die Straße verengt, sehe ich auf. Pfosten eines alten Ziegelsteintores reisen mich aus meiner Rückschau. Ich zwänge mich vorbei an einem der Pfosten, lande unvermittelt in dieser anderen Welt. Hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Hinter Bäumen und Büschen erscheinen kleine Häuser. Einige wenige sind aus Lehm. Manche Häuser sind bereits zu einer Ruine verfallen. Später beginnt auf der linken Seite eine Mauer. Sie verstellt mir den Blick. Ich frage mich, was sich hinter dieser Mauer verbirgt, ein kleines Anwesen, vielleicht ein Schloß oder besonderer Bauernhof. Meine Fantasie schweift dahin. Immer mehr gerate ich hinter den Berg. Ich finde keinen geeigneten Aufstieg. Später frage ich einen Bauern, der auf einem Traktor am Wegesrand wartet. Er weist mir einen Weg. So passiere ich ein Tor. Ich gelange in eine Plantage. Immer wieder überfällt mich bei meiner weiteren Wanderung Angst. "Bin ich nicht auf Privatgelände unterwegs", frage ich mich halblaut. Was passiert, wenn der Besitzer oder möglicherweise Wachhunde mir begegnen? Immer wieder blicke ich mich um. Zum Glück werde ich nicht entdeckt. Kilometerweit durchschreite ich ängstlich die Plantage. Am Ende finde ich durch Gestrüpp einen Ausweg. Nun befinde ich mich auf der Rückseite des Cerro Chena. An einen Stein gelehnt lese ich über die Fugger in Augsburg. Hin und wieder schweift mein Blick über die Plantage, hinein in die ländliche Gegend.
Nun steige ich steil aufwärts.  Hin und wieder komme ich ins Rutschen, muss mir eigene Pfade anlegen, dem steilen Hang ausweichen, indem ich Kurven ziehe. Ermüdet erreiche ich den Gipfel, schaue zurück in die Welt des Landes, und langsam lasse ich mich wieder treiben hinab in die riesige und unfassbare Metropole, tauche über verschlungene Wege wieder ein ins Großstadtgetümmel.

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