Samstag, 21. März 2015

Angst im Zelt

Es ist der 15. März, der zweite Wandertag auf dem Inkaweg Takesi: "Camino Takesi".
Recht zeitig für unsere Verhältnisse brechen wir auf. Ganz langsam schleppen wir uns Richtung Passhöhe. Ein Mann, der eben noch weit entfernt schien, hat uns im Eiltempo überholt. Sicher ist er erstaunt über unsere Langsamkeit.
Über die Gesteine am Wegesrand springen lustige Wesen. Sie sehen aus wie sehr groß geratene Chinchillas. Später erfahre ich, dass es sich bei diese lustigen und springenden Wesen um Viscachas handelt.
Nach dem Pass geht es hinab über grüne Hochtäler. Auf geflasterten Wegen ziehen wir durch eine fast unwirkliche Welt. Wir steigen tiefer, von einer Etage zur nächsten Etage. Das Grün der Wiesen verändert sich ganz langsam. Mit jeder weiteren Etage scheint es etwas grüner zu werden. Hin und wieder tauchen Lamaherden auf. Sie zeugen davon, dass wir uns noch in dieser Welt befinden.
Langsam vergeht der Tag. Am Nachmittag durchstreifen wir Takesi, ein malerisch gelegener Ort, fern von jeder Zivilisation: Steinhäuser, umherstreifende Tiere und unendliche Ruhe. Wir ziehen weiter. Lassen den zauberhaften Ort hinter uns liegen. Es tauchen Sträucher auf und später auch Bäume. Wir werden kleiner und neben uns wächst der Wald. Und mit dem Laufen werden wir immer müder. Irgendwann sind wir so müde, dass wir in einer kleinen Waldnische mein Zelt aufbauen, uns hinlegen und einschlafen.
Die Nacht überrascht uns mit einem gewaltigen Gewitter: grelles Licht, heftige Donner und ein ernstzunehmender Regen. Volker überprüft die Lage außerhalb. Beunruhigt kommt er zurück. Der Fluss würde anschwellen. Auch ich sehe mir unseren wildgewordenen Nachbarn an. Mit so einem Nachbarn ist nicht zu spaßen. So beschließen wir - nach längerer Diskussion - mein Zelt zu einer höhergelegenen Stelle zu tragen. Da sich in dieser Nacht auch der Inkaweg zu einem Fluss verwandelt hat, findet der Zelttransport auf einem Flussbett statt. Nach dieser nächtlichen Aktion liegen wir an anderer Stelle, recht feucht geworden, auf einer steinigen geneigten Ebene. Trotzdem kehrt der Schlaf zurück.
Am nächsten Tag geht es weiter. Teilweise schwimmt der Inkaweg. Es ist ja auch Regenzeit. So wird uns klar,  warum außer uns keine anderen Wanderer hier unterwegs sind. Sie wissen, wie wässrig diese Regen sein können.
Später gilt es einen weiteren Fluss zu überqueren. Wir suchen nach einer Alternative. Dabei landen wir in einem sumpfigen Gebiet. Es ist unheimlich. Was mögen hier für Tiere auf uns warten. Wir kehren um. Doch eine Liane hält mich fast. Ich bekomme Wut. Doch die Liane ist stärker als ich. Mir gelingt die Befreiung nur in Ruhe und liebevoll. Ich setze den Rucksack ab und löse, die mich umarmende.
Immer noch stellt sich uns die Aufgabe, den strömenden Fluss zu überqueren. In großen Sprüngen müssen wir über Steine springen. Ich muss mich sehr überwinden. Dann folgt der zweite Teil der Bewährungsprobe. Ein Stamm liege über den Strom, daneben zwei kleinere Stämmlein. Volker bewegt sich auf allen vier Gliedmaßen hinüber,  ich bewege mich auf dem Stamm rutschend auf die andere Seite des Flusses. Auf der anderen Seite beruhigen sich unsere Herzen.
Am Abend erreichen wir das Bergarbeiterdorf Chojlla. Dort entscheiden wir uns für die einzige Herberge. Diese Herberge besteht aus einem Raum mit sechs Betten, der über eine Aussentreppe zu erreichen ist. Eine Toilette und Waschgelegenheit gibt es nicht. Doch im Ort gibt es zwei unappetitliche Toilettenanlagen.
Die Nacht bringt mit sich einen noch gewaltigeren Wolkenbruch, ja ich möchte fast sagen, dass es mehrere Wolkenbrüche gewesen sein müssen. Die Flüsse steigen weiter und der Sportplatz von Chojlla hat sich zu einer Seenlandschaftlich entwickelt.
So lagen wir wie Könige in dieser einfachen Herberge. Beim Zelten auf dem Sportplatz wären wir vermutlich ein Teil der Seenlandschaft geworden. Womöglich schwömmen wir noch heute als Enten über die Seen.

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