Montag, 6. Juli 2015

Die Welt der Daecher

Letztens arbeitete ich auf dem Dach des Kinderheimes. Ich musste ein riesiges Plakat anbringen. Da schweifte mein Blick hinueber zu den anderen Daechern. Ich stutzte. Was sah ich denn da? Befand ich mich in der Wirklichkeit oder traeumte ich?
Da geht ein Mann zwischen Holzkaesten umher und ploetzlich beginnt es zu laermen. Was ist es fuer ein Laerm? Es klingt wie auf einem Bauernhof in Pretzschendorf. Da begreife ich. Es sind die Huehner, die in den Holzkaefigen leben und jetzt ihr Futter bekommen. Mein Blick kann sich nur schwer von diesem Anblick loesen.
Auf einem naechsten Dach sitzen ein paar Kinder und schauen genauso neugierig zu mir, wie ich zu ihnen. Wir muessen lachen. Irgendwann winkt ein kleiner Junge verstohlen. Ich mache mir Gedanken ueber die sicherheit der Kinder. Sie koennten vom dach fallen. Aber auch ohne Absperrung fallen hier keine Kinder vom Dach.
Wieder auf einem anderen Dach bellt es. Zwei Hunde scheinen dort zu leben. Von oben versuchen sie Ordnung in das verrueckte Leben auf der Strasse unter ihnen zu bringen, was natuerlich eine ausweglose Angelegenheit ist. Nach laengerem lautem Gebell scheinen die Hunde zu begreifen, dass sie nichts ausrichten koennen. Sie legen sich auf die winzige Bruestung des Daches. Ihre Koepfe scheinen fast hinab zu fallen.
Noch ein Stueck weiter beginnt ein weiteres Dach zu leben. Eine Frau kommt mit einem Kind auf dem Ruecken. Das Kind ist in ein buntes Tuch gewickelt. Sie Traegt einen Korb. Zwischen Eisenstaeben, die gen Himmel streben, sind Draehte gespannt. Ueber diese Draehte wirft die Frau die frisch gewaschene Waesche.
Bei einer spaeteren Unterhaltung erfahre ich, dass die Haeuser nicht ferig gebaut werden, weil so verhindert werden kann, die Steuer zu bezahlen. So gibt es fast in allen Vierteln. Eisenstaebe, die gen Himmel streben oder Daecher mit unfertigen Mauern. Doch die Daecher sind belebt. Sie leben auf ihre ganz eigene Weise. Besonders in den nicht mehr so heissen Abendstunden ist dort oben recht viel Betrieb. Die Welt der Daecher ist eine langsame, doerfliche und manchmal sogar romantische Welt. Ich haette auch gern ein Dach, wohin ich mich abends zurueckziehen koennte.

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