Montag, 26. Januar 2015

Die Stadt der Indianer

Am Samstag bin ich mit den Ungarn Sophie und Sabo unterwegs. Wir steifen ueber den Friedhof und sind sehr bewegt, weil es unwahrscheinlich viele Kinderurnen gibt. Sicher spielen viele Faktoren eine Rolle: das schwaechere Gesundheitssystem, die finanzielle Not vieler Familien, aber auch, die immer noch existierende Kinderarbeit. Und trotzdem ist dieser Friedhof durch seine parkaehnliche Anlage, die vielen Baeume und die verzierten Grabhaeuser ein Ort der Schoenheit. Von hier wandern wir zum Mirador (Aussichtspunkt), von wo aus ein besonderer Blick ueber die Stadt moeglich ist. Nicht weit davon entfernt gibt es ein bedeutendes Museum: das Museum der indigenen Kunst. Hier werden Textilien, Trachten und Musikinstrumente der indigenen Bevoelkerung ausgestellt. Wir sind beruehert davon, welch hohe Kunst die Menschen in der kargen Bergwelt ueber die Jahrhunderte entwickelt haben.
An der Kasse komme ich ins Gespraech mit einer Bolivianerin. Sie berichtet mir, dass es morgen in den Bergen einen grossen Markt gibt, quasi in einer "Stadt der Indianer". Das klingt spannend. So beschliessen wir, am naechsten Tag in die Berge aufzubrechen. Wir sind ganz aufgeregt, was uns erwarten wird.
In einem kleinen Park treffen wir uns am Sonntag wieder, fahren mit einem Minibus durch die Stadt, bis zu der Stelle, wo die Kleinbusse in die sechzig Kilometer entfernte Stadt starten sollen. Wir finden einen Bus. Der Fahrer ruft solange Leute herbei, bis auch jeder Platz besetzt ist. Dann beginnt die Fahrt durch karges Gebirgsland, oft hinauf und wieder hinunter. Manchmal passieren wir kleine Ortschaften. Die Haeuser bestehen aus kleinen Lehmhaeusern. Daneben gibt es meist Kartoffelfelder, manchmal auch Mais. Hin und wieder stehen einzelne Hoefe, auch aus Lehm gebaut. Oft stehen daneben auch Lehmruinen. Doch der groesste Teil des Gebirgslandes ist unbebaubar. Nach ungefaehr zwei Stunden erreichen wir die kleine Stadt.
Auch hier sind fast alle Haeuser aus Lehm. Es gibt einen kleinen Platz. Dort werden die unterschiedlichsten Stoffe und Kleidungsstuecke angeboten. Auch in den kleinen Lehmgassen gibt es viele Staende und Laeden. Viele Menschen erhoffen sich etwas zu verdienen. Es gibt auch Laeden fuer den taeglichen Bedarf: Lebensmittel und Haushaltswaren. Und wieder schoenste Staende mit gewebten Textilien. Meine ungarischen Freunde kaufen sich eine tolle gewebte Decke mit vielen Tiermotiven. Ich erwerbe eine Muetze mit Lamabildern. Damit sehe ich etwas aus wie der Schellenursli.
Weiter gehen wir durch die Gassen. Viele Menschen in ihren Trachten begegnen uns. Die meisten von ihnen sind arm. Ich mache ein paar Fotos. Die Leute sehen weg, sie moegen es nicht. Zu spaet merke ich, dass mein Fotografieren ein Fehler war, eine Verletzung. Ich hoere auf damit.
Die Trachten sind ganz unterschiedlich, manche kunterbunt, andere in Rot und Schwarz, wieder andere mit der Farbe gelb. Was bedeutet dies? Hat jedes Dorf eine andere Tracht oder geht es hierbei um die Stellung? Ich habe noch keine Erklaerung.
Ueber zum Teil recht aufgerissene Wege kehren wir wieder zurueck zum Platz. Dort steht ein recht urzeitlicher Bus der lautstark nach Mitfahrern sucht. Wir steigen ein. Langsam fuellt sich das Ungetuem. Dunkel aussehende Menschen, viele mit schwarzen Hueten, andere mit schwarzen Zoepfen steigen ein. Die Fahrt beginnt. Schauckelnd bewegen wir uns zurueck in die Stadt, zurueck in eine andere Welt. Wir sind erfuellt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen