Montag, 1. August 2016

Die Torte

Es ist Samstag und ich bin eingeladen. In meinem Viertel, wo ich mit den Kindern arbeite, gibt es Leute, mit denen ich oft am Straßenrand erzähle und lache. Diese Leute luden mich schmunzelnd für Samstag zum Geburtstag ein. Ich freute mich und fragte nach einem Wunsch. Die Mutter des Geburtstagskindes meinte, dass es toll wäre, wenn ich eine Torte mitbringen könnte.
Eine Torte, das ist eine gute Idee, so sagte ich mir. Eine Torte gehört zu einem richtigen Geburtstag und ist ausserdem für die Leute in meinem Viertel sehr teuer. So macht ich mich am Vormittag auf den Weg und fahre ins Zentrum der Stadt, trinke einen Kaffee und begebe ich auf die Suche nach einem Tortenladen. Den Laden finde ich irgendwann in der Nähe des "Feria" ( des Marktes).
Dann warte ich auf einen dieser ständig überfüllten Kleinbusse, um in mein Viertel zu gelangen. Zum Glück finde ich etwas Platz, eine halbwegs sichern Ort für die Torte. Eine halbe Stunde lang ruckelt und zottelt der Bus dahin. Doch die Torte bleibt heil. Mit der Kiste beladen verlasse ich den Bus. Nun muss ich nur noch steil ansteigen, hinauf nach Portales. Über staubige und steinige Wege geht es zwischen Ziegelhütten aufwärts. Ich habe Angst, das wiedereinmal eine Hundebande mich bedrängt. Bei so einem Scharmützel könnte womöglich die Torte herunterfallen und zerstört werden. Sicher würden sich dann die Hunde auf die Reste stürzen. In diesem Fall käme ich ohne Torte und Geschenk zum Geburtstag. Zum Glück scheinen die Hundebanden heute anderweitig beschäftigt zu sein.
Nach zwanzig Minuten Aufstieg nähere ich mich den Steinhütten. Ich wundere mich etwas, dass die Leute - wie so oft - gegenüber auf einer Betonstufe neben dem Sportplatz sitzen. Sie scheinen darauf zu warten, dass der Tag an ihnen vorüber zieht. Etwas verunsichert eile ich zu ihnen und frage nach dem Geburtstagskindes.  Schnell stellt sich heraus, dass das Geburtstagskindes nicht da ist und auch keine Feier stattfindet.
Ich gehe davon aus, wieder einmal einen Spaß,  nicht als Spaß erkannt zu haben. In Portales - im Armutsviertel - werden ständig Späße gemacht. Es ist lustig und macht das Leben leichter. Meist kann ich zwischen Realität und Spaß  nicht unterscheiden.
Nun, nach dem langen Aufstieg und der Vorfreude auf die Torte, rufe ich dazu auf, die Torte jetzt gemeinsam zu genießen. Schnell findet sich in der Nachbarschaft eine Frau, Jenny, die wirklich an diesem Tag Geburtstag hat. So findet doch noch eine Geburtstagsfeier mit Torte, Inkacola und Lied statt.
Später stellt sich noch heraus, dass das angebliche Geburtstagskindes an einem späteren Samstag Geburtstag haben soll. Beim Nachhauseweg denke ich darüber nach, ob dies wieder ein Spaß gewesen ist. Doch eigentlich ist dies überhaupt nicht wichtig. Ich rutsche und stolpere den staubigen Weg hinab. Hinter mir bellen bedrohlich die Hunde. Vielleicht ahnen sie, dass ihnen eine Torte entgangen ist.

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